Langenscheid
Ortsgemeinde der Verbandsgemeinde Diez in Rheinland-PfalzErzählungen
Langenscheider Rotwein bei hochadeliger Vermählung
Der Kreuchelgarten
Distrikte – Flurbezeichnungen
Niederstaffel wird zerstört
Die Pfarrer von Langenscheid
Hospinian
Hannphilipp, der Holländer (nach einer mündlichen Überlieferung)
Die Mühlen im Daubachtal bei Langenscheid (von Josef Kläser)
Ein schwieriger Übergang
Aus der Russenzeit
Ein Schneider schießt
Schon sieben Brote
Brunnen – Wasserversorgung in Langenscheid
Der Zehntenaufruhr in Langenscheid
Langenscheider Ludwig Born im preußischen Landtag
Der Lahnbahnbau
Schultheiße und Bürgermeister von Langenscheid
Langenscheider Lehrer
Ous Langschidder Platt (von Inge Meckel)
Brockselsupp (von Barbara Schweisfurth)
Der Weinbau in Langenscheid (von Matthias C. Schmidt)
Langenscheider Rotwein bei hochadeliger Vermählung
Es ist gewiss sehr interessant zu hören, dass an der Lahn und im Inneren Nassaus (Aar und Einrich) nach den vorliegenden Urkunden der Weinbau früher Eingang fand, als im Rheingau, der heute die besten Weine Deutschlands liefert.
Um 800 waren die Südhänge der Lahn bereits mit Reben bestanden. Um 1200 besaßen die Mönche von Arnstein in Langenscheid Weinberge, den Pfaffenberg, der von 1887 ab wieder teilweise gerodet wurde, 1898 aber wieder einging.
Nach dem 30jährigen Krieg besaß Schaumburg die besten Weinberge in der Gemarkung Langenscheid. Besonders berühmt war der Krompeler, der gewürdigt wurde bei der Vermählung der Prinzessin Hermine von Anhalt- Bernburg- Schaumburg mit dem Erzherzog Joseph von Österreich als Tischwein zu dienen.
Der Kreuchelgarten
Nachdem die Heimat im ersten Drittel des Dreißigjährigen Krieges von Spaniern und anderen raubenden Heerhaufen mehrfach gelitten hatte, blieb sie in der Mitte desselben infolge seiner Besitzer Johann Ludwig von Hadamar und Peter Melander von schlimmen Ereignissen verschont, während Nassau Oranien und Nassau Diez mehrfach furchtbar gebrandschatzt wurden.
Gegen Ende des Krieges aber, so erzählt die Diezer Chronik, hausten die Schweden zweimal aufs Furchtbarste. Das Dorf wurde bis auf f ü n f Häuser eingeäschert. Von dem Wüten der Unholde, die natürlich gar keine wirklichen Schweden mehr waren, wusste mir die längst verstorbene Nachbarin Schreckliches zu erzählen.
Die eingescheuchten Männer und Frauen wurden gebunden herbeigeführt. Jeder der Männer mußte einen Eimer Mistjauche selber herbeitragen. Den Frauen wurden die Kleider vom Leib gerissen, dann warf man sie zu Boden und schleifte sie an den Haaren auf der Wiese umher, während die Männer zusehen mußten. Dann legte man die Männer zu Boden, zog ihnen mit der Nadel ein Pferdehaar durch die Zunge, die man damit hervorzog. Nun schüttete man jedem seinen Eimer mit der greulichen Flüssigkeit in den Mund.
Alle, die nicht sofort den Inhalt des Magens erbrachen, starben in den folgenden Tagen, oder litten noch Jahre lang an den Folgen dieser Kur.
Der Kreuchelgarten hat sich bis heute als Flurbezeichnung gehalten. Das schöne Fachwerkhaus zwischen dem Gasthaus zur Post und Heibels Hof wird auch Kreuchelgartens genannt.
Distrikte und Flurbezeichnungen
Flur 1 | Neuwiesen (zwischen der Isselbacher Straße und Kump-Stock), Vor der Unner (unterhalb Hirschberg), Am Hirschberger Weg (rechts von der B 417 vor Hirschberg) |
Flur 2 | Gebrannte, Seifen, Vor der Unner, Zwischen den Wiesen |
Flur 3 | Neurod |
Flur 4 | Unter dem Seelskopf, Seelskopf, Furth, Im Boden, In der Tränke, Vorm Gebück, Neue Stücke, Gebücksgraben, Gebrannte |
Flur 5 | Eichpel, Seelsloch, Unterm Seelsweg, Seelsdell, Schlaggraben, Oberm Seelsweg, Almendorn, Tränkseite. |
Flur 6 | Rechts vom Heckenweg, Bachheck, Tränkegarten, Oberes Daubachtal, Mittleres Daubachtal. |
Flur 7 | Großengarten, Kreuchelgarten, Unterm Dorf, Altengarten, Bachberg. |
Flur 8 | Am Weiher, Hinterm Weiher, In der Lehmkaute, Pfuetzwiese |
Flur 9 | Hinterm Weiher, Sauweider Graben, Anwänderspfad, Oberm Daubacher Weg, Unterm Daubacher Weg, Hinterm Daubacher Graben, Im Daubacher Graben, Wilgesgewann, Auf der Daubach, Demmersheck, Vorm Altenweg. |
Flur 10 | Großeberg, In der Daubach, Demmersheck, Vorm Altenweg. |
Flur 11 | Am Korstückweg, Hollerborngewann, Kiesanwand, In der Grube, Auf der Grube, Zwischen den Anwändern, Unterm Steinweg. |
Flur 12 | Unterm Steinweg, Großeberg, Im kleinen Scheid, Ley(Spelzeberg) |
Flur 13 | Unterm Steinweg, Großeberg, Im kleinen Scheid, Ley(Spelzeberg) |
Flur 14 | Unterm neuen Weg, Neuwegseite, Pfaffenberg, Scheid, Klamm, Heißengrund, Auf dem großen Scheid. |
Flur 15 | Schwarbach, Vorm Borngraben, Aspig, Vor der Wieslatt, Wieslatt. |
Flur 16 | Kirchgraben, Unter der Heck, Hinter der Heck, Aspig, Vor der Heck, Ober dem Born, Am Geilnauer Weg, Am Bornweg, Am Wieslatter Weg, Am Korstückweg. |
Flur 17 | Wolfeich, Kumpf, Oberer Schlag, Neuwald, Bornsgrub, Eichpel, Nachbarheck. |
Flur 18 (1) | Vordere Höchst, Goldhahnshöchst, Kreuzeicher Schlag, Schmidtlippshack, Kieskopf, Köpfchen an der Straß, Obere Schwarzbach, Schwarzlei, Mühlberg, Lorenzheck, Mittlere Schwarzbach, Knappen, Saustall, Untere Schwarzbach, Seel |
Flur 18 (2) | Wilsberg, Mühlberg |
Niederstaffel wird zerstört
Eine Langenscheider Sage aus dem 30jährigen Krieg, durch keine geschichtliche Urkunde bezeugt, aber bezeichnend für die Grausamkeit der Zeit. Peter Melander hatte 1640 die hessischen Dienste verlassen und sich dem Kaiser verpflichtet. Über viereinhalb Jahre wartete er auf dessen Ruf, und es ist ja bekannt, dass die anderen kaiserlichen Führer mit dem Peter Melander nichts zu tun haben wollten.
Die Langenscheider mündliche Überlieferung erzählt, dass Peter Melander das Langenscheider Pfarrhaus nach dem Brand habe wieder aufbauen lassen und sich darin oft aufgehalten habe.
Nun die Langenscheider Sage: Die Elzer waren neidisch und missgünstig auf ihren Landsmann und hatten es gewagt, ihn zu verhöhnen. Der Generalfeldmarschall schwur Rache. Heimlich gewann er eine Anzahl Langenscheider Burschen, die in einer dunklen Herbstnacht Elz niederbrennen sollten.
Man verlor aber in der Wildnis den Weg, landete in Niederstaffel, hielt es aber für Elz und brannte es nieder.
Nach einer weiteren Überlieferung soll Langenscheid von Elzern niedergebrannt worden sein.
Die Pfarrer von Langenscheid
Seit Langenscheid Pfarrei ist (1649), haben seine Pfarrer in dem Pfarrhaus gewohnt, das heute noch steht, dessen Alter wir nicht genau angeben können. Noch bis 1841 trug es ein Strohdach. Vor 260 Jahren bildeten die fünf Kirchspiele der Esterau noch eine kleine Landeskirche und waren wie ihre Pfarrer dem fürstlichen Konsistorium Schaumburg unterstellt. Zwei von den fünf Pfarrern waren Konsistorialräte und einer Schulinspektor. Das hörte natürlich auf , als das Herzogtum Nassau gegründet wurde. Bis zum Verkauf der Schaumburg war der Standesherr der Grafschaft Schaumburg- Holzappel unser Kirchenpatron, auf dessen Vorschlag und Präsentation die Landeskirchenregierung die Pfarrstellen besetzte. Zuletzt war das der Fürst von Waldeck, der ein lebhaftes Interesse an der Entwicklung unserer Gemeinden hatte.
Folgende Pfarrer haben in Langenscheid und Geilnau ihr Amt geführt:
1 | Nikolaus Witzel | 1647 – 1649 |
2 | Johann Philipp Weydenbach | um 1666 |
3 | Johann Eberhard Scholl | um 1688 |
4 | Johann Anton Müller | um 1699 |
5 | Paulus Martenstein | um 1704 |
6 | Joseph Hospinian aus Zürich | 1708 – 1743 |
7 | Ludwig Patriz Hoen | 1748 – 1783 |
8 | Karl Georg Daniel Manderbach | 1784 – 1791 |
9 | Gottfried Daniel Zachariä | 1791 – 1796 |
10 | Wienand Philipp Caesar | 1796 – 1804 |
11 | Ludwig Heinrich Georg Steubing | 1804 – 1825 |
12 | Johann Jakob Kayser | 1825 – 1854 |
13 | Edmund Schneider | 1854 – 1859 |
14 | Adolf Christian Theod. Wilh. Stahl (Vater v. Nr. 18) | 1860 –1864 |
15 | Adolf Deyßmann | 1864 – 1873 |
16 | Jakob Julius Magewirth | 1874 – 1875 |
17 | Anton Jäger (der nachmalige Geh. Konsistorialrat) | 1875 – 1879 |
18 | Julius Max Albert Kuhnert | 1879 – 1882 |
19 | Adolf Clemens Johannes Stahl | 1883 – 1894 |
20 | Adolf Heinrich Paul | 1894 – 1906 |
21 | Friedrich Wilhelm Grevel | 1906 – 1923 |
22 | Johannes Steubing | 1923 – 1928 |
23 | Hans Dietz (Pfarrer Hermann übernahm die Vertretung in den Kriegsjahren) | 1928 – 1939 |
24 | Ernst Steubing | 1946 – 1956 |
25 | Johannes Theodor Siebert | 1957 – 1963 |
26 | Gerhard Reis | 1966 – 1974 |
27 | Reinhold Neuhaus | 1975 – 1982 |
28 | Horst Günter Ulrich | 1983 – 1998 |
29 | Christof Munz | 1999 – 2006 |
30 | Kerstin Janott | 2007 – 2022 |
31 | Oliver Sigle | seit 2023 |
Hospinian
Die nach dem 30-jährigen Krieg baufällig gewordene Antoniuskapelle wurde 1725 durch ein Unwetter völlig zerstört. Der damalige Pfarrer Hospinian sammelte sechs Jahre lang mühsam das Geld zusammen für den Wiederaufbau des Gotteshauses.
Der Maurermeister Andreas Meyer aus Cramberg wurde für den Aufbau herangezogen. 1731, wahrscheinlich am Kirchweihfest, konnte die neue Kirche eingeweiht werden. Erst 160 Jahre nach dem Wiederaufbau(1891) erhielt die Kirche den ersten Ofen. Die anhaltende Kälte in diesem Winter trug dazu bei, dass die Bemühungen von Pfarrer Stahl endlich von Erfolg gekrönt wurden. Am 25. Januar 1891 fand in Langenscheid der erste Gottesdienst in der erwärmten Kirche statt.
Diesem Pfarrer Hospinian wurde für das Einführen der Kartoffeln in das Nassauer Land und den Wiederaufbau dieser Kirche eine Ehrentafel gewidmet. Sein Start in die Seelsorgerlaufbahn verlief alles andere als glatt. Zweimal wollte er in seinem Heimatland in der Schweiz in Philosophie examiniert werden und wurde nicht zugelassen. Im März 1705 wurde er in Theologie examiniert und musste am 5.April seine Probepredigt halten. Die Prüfungskommission bescheinigte ihm nach der Probepredigt, dass nicht nur sein Gedächtnis ganz schwach gewesen sei, sondern auch die Predigt selbst sehr kahl, konfus, ohne Ordnung und liederlich sei. Nur ungern, mit Widerstreben und mit viel Wohlwollen wurde ihm die Ordination erteilt.
Durch Vermittlung seines Schwagers Pfarrer Rychener, der bei der Gräfin von Schaumburg im Kirchendienst stand, kam er zuerst nach Obernhof und 1708 dann nach Langenscheid. Er wirkte 35 Jahre segensreich für seine Gemeinde. In den zur Zweihundertjahrfeier 1931 erschienenen Erinnerungsblättern aus der Feder des damaligen Langenscheider Pfarrers Hans Dietz wird mit hoher Achtung von unserem Landsmann gesprochen, der also offenbar sich doch besser entwickelt hat, als die Züricher Herren sich am Ende seines Studiums von ihm versprochen hatten. 1743 wurde er neben seiner geliebten Kirche auf dem damaligen Friedhof zur letzten Ruhe beigesetzt.
Große Gegensätze sind erkennbar, da gibt eine bettelarme Bevölkerung das Letzte um eine neue Kirche zu bauen, und ein Mann mit einer katastrophalen Berufsqualifikation wird in einer langen Amtszeit ein hochgeehrter und mit hoher Achtung ausgezeichneter Pfarrer.
Hannphilipp, der Holländer
(nach einer mündlichen Überlieferung)
Im 17. und 18. Jahrhundert dienten viele Langenscheider junge Männer in Schaumburg als Schlosssoldaten, Jäger und Bedienstete. Sie genossen großes Vertrauen, und wegen ihres robusten Wesens eigneten sie sich besonders zu diesen Diensten.
Der Johann Philipp Künzler war um die Mitte des 18. Jahrhunderts als Jäger und Bedienter auf dem Schlosse beschäftigt. Er war ein anstelliger und kräftiger Bursche, der sich auch in der Gefahr zu helfen wusste; überall war er zu gebrauchen.
Eines Tages vor Mittag gab ihm der Kanzleischreiber einen Eilbrief an die fürstliche Hofhaltung zu Hadamar. Künzler soll sofort reiten; aber mit leerem Magen lässt sich ein solcher Weg zu Pferde nicht gut zurücklegen. Johann Philipp eilt schnell zur Küche und verlangt von dem Koch einen ordentlichen Brocken als Wegzehrung. Der Koch aber, ein rauhbeiniger Herrscher in der Küche, ist dem Langenscheider wenig gewogen. Anstatt des verlangten Frühstücks überschüttet er ihn mit einem Haufen unflätiger Schimpfnamen und weist ihm die Tür. Unser Hannphilipp nicht faul, nimmt das bereitliegende Hackbeil und schlägt es mit flacher Klinge dem übelgelaunten Küchenmeister auf den Schädel, dass er wie tot zu Boden stürzt. Das ist dem Erregten nicht einerlei, und er sieht sich schon vor dem Profoss (in Landknechtsheeren die Regimentspolizei).
Er glaubt sich als Mörder, eilt mit seinem Brief zum Pferde, schwingt sich darauf und jagt zum Schlosstor hinaus. In größter Eile geht es an Diez vorbei nach Staffel. Da sieht er einen Feldjäger von Limburg kommend hinter sich herjagen. Hannphilipp glaubt sich verfolgt und reitet seitwärts in ein Sandloch. Der Feldjäger hegt Misstrauen und reitet ihm nach. Kurz entschlossen, empfängt ihn der Langenscheider mit seinem schweren Säbel, so dass ein Zweiter wie tot zu Boden sinkt. Hannphilipp fühlt sich nun als Doppelmörder.
In Hadamar angekommen, überreicht er schnell seinen Brief und will dann über die Landesgrenze fliehen. Da besteigt gerade ein Hadamarer sein Pferd, um eine Depesche nach Holland zu bringen. Kurz entschlossen, reitet Hannphilipp an seine Seite und weiß es fertigzubringen, dass er den Depeschenträger nach Holland begleiten darf. Er weiß, dass er dort sicher ist, und ein Langenscheider erwirbt überall sein Brot.
Wie froh ist er, als er die Grenze glücklich hinter sich hat. In einem kleinen Dorf findet er als Knecht gastliche Aufnahme. Sein Herr ist wegen seiner Freundlichkeit, seines Fleißes und wegen seiner Anstelligkeit so zufrieden, dass er der Freund des Hauses und der Bräutigam der Tochter P i t r o n e l l a wird. Nach einem Jahr wird die Hochzeit gefeiert. Aber, nun regt sich in einem Kind der Lahnberge das Heimweh; auch muss er seinen Eltern doch einmal die junge Frau zeigen. Man rüstet sich zur langen Reise.
Fünf Jahre hat man in Langenscheid und Schaumburg von dem Durchbrenner nichts mehr gehört. Alle, mit Ausnahme seiner alten Eltern, die ihn betrauerten, hatten ihn vergessen. Da erscheint an einem sonnigen Herbsttag ein fremdes Paar in der Weihergasse zu Langenscheid. Neugierig betrachtet man den schönen bärtigen Gesellen und die fremdartig aussehende Frau. Eilig betritt er mit seiner Gattin die Schwelle des Elternhauses und fällt seinem alten Mütterlein, vor Freude weinend, um den Hals.
Das ganze Dorf ist froh erregt; er hört, dass dem Schaumburger Küchenchef jene Züchtigung nichts geschadet, sondern genutzt habe. Zufrieden wieder daheim zu sein, übernimmt er das Elternhaus, wird tüchtiger Bauer und Brunnenmeister und weiß mit seiner vom ganzen Dorf geachteten Pitronella immer viel von der Welt und ihrem Geschehen zu erzählen.
Die Mühlen im Daubachtal bei Langenscheid
(von Josef Kläser)
Das Tal des Daubachs, der unterhalb von Hirschberg entspringt, ist ein ausgesprochen ruhiger Landstrich, sofern nicht die lebhaften Unterhaltungen der Stadtkinder, die in der Gülle- Mühle eine „Freizeit“ verbringen, die Waldesruhe unterbrechen.
Das Heer der Zweiradfahrer, das allsonntäglich den Lahntal- Rad- und Wanderweg entlangstrampelt, überquert den Bachlauf nur wenige Schritte vor seiner Mündung in die Lahn zwischen Balduinstein und Fachingen und ignoriert den dort abzweigenden Weg in den Talgrund. Deshalb trifft auch heute noch die vor 150 Jahren von dem Altendiezer Bürgermeister getroffene Feststellung zu, in das Waldtal würden nur selten Menschen hinkommen.
Vier Mühlen auf zwei km Bachlänge
In seinem Oberlauf fließt das Daubächlein auf etwa zwei km, von nur drei Rinnsalen verstärkt, in dem engen Tal dahin, bis es eine Stelle erreicht, wo die Bergwände etwas zurücktreten und eine kleine Talwanne bilden. Von hier an übernimmt der Bach die Funktion eines Mühlbaches. Nachdem er die Hälfte seines Weges zurückgelegt hat, hat er einst auf seinen restlichen zwei Kilometern vier Mühlrädern die Kraft verliehen, sich in Bewegung zu setzen.
Auf seiner rechten – der Langenscheider Seite – strömte der Daubach von oben auf die Wasserräder der Obermühle, der Mittelmühle und der Untermühle. Links des Baches – auf der Altendiezer Seite – versorgte er eine Ölmühle mit Energie.
– Der Vollständigkeit halber sei erwähnt, dass es in der Langenscheider Gemarkung noch eine weitere Mühle gab, die sich an der Lahn gegenüber von Balduinstein am Eingang des heutigen Schleusengrabens befand.
Beginnen wir unsere historische Mühlenwanderung mit einem kurzen Rückblick auf die frühe Langenscheider Mühlengeschichte!
Eine Mühle bereits im Spätmittelalter
In einer von dem Trierer Erzbischof Werner von Falkenstein (1388-1418) am 23. Mai 1395 in Ehrenbreitstein ausgestellten Urkunde über die Einkünfte der von Graf Adolph von Nassau und Diez errichteten Kapelle zu Aull, wurde auch die Abgabe von 15 Tn (Tournosen = in Tours in Frankreich geprägte dicke Silberpfennige) genannt, die Heynemann Breder von Langenscheid jährlich am 11. November von der Mühle in Langenscheid dem Grafen schuldete, die nun zur Besoldung eines Kaplans der Kapelle verwendet werden sollten. Etwa 100 Jahre später verzeichnete ein Register aus den Jahren 1483-1486 die der Erasmusvikarie im Stift Diez zustehenden Einkünfte. Darunter befanden sich auch vier Albus (Weißpfennig = Silbermünze) und ein Huhn von dem „Molitor“ (Müller) zu Langenscheid.
Demnach bestand bereits im Spätmittelalter eine Mühle zu Langenscheid. Die Frage, die sich daraus ergibt, welche der vier Langenscheider Mühlen gemeint sein könnte, ist nicht so ohne weiteres zu beantworten. Nach einem eingehenden Aktenstudium scheiden sowohl die erst 1847/48 erbaute Untermühle als auch die an der Lahn gelegene Mühle aus. Also kommen nur die Ober- oder Untermühle in Frage.
Wie ihr Bezugsort Langenscheid, so gehörten auch beide Mühlen im 18. Jahrhundert zur Grafschaft Holzappel. Die einst auf der Schaumburg aufbewahrten Akten der Grafschaft gelangten nach wechselvollem Schicksal durch Kauf vor einigen Jahren in den Besitz des Landes Rheinland-Pfalz. Sie befinden sich seitdem im Landeshauptarchiv Koblenz. Dort werden sie zu Zeit geordnet und neu verzeichnet. Solange diese Arbeit noch nicht abgeschlossen ist, können über die frühe Geschichte der erwähnten beiden Mühlen nur wenige Hinweise gegeben werden. Eine abschließende Antwort auf die Frage, ob die Ober- oder die Mittelmühle mit der im Mittelalter erwähnten Langenscheider Mühle identisch ist, kann deshalb noch nicht erfolgen.
Brechen wir nun zu unserer Mühlenwanderung von Langenscheid hinab ins Daubachtal auf!
Die Obermühle
Die amtliche Bezeichnung für den Wohnplatz Obermühle wird im Sprachgebrauch der Dorfbewohner durch den beziehungsreicheren Namen „Gülle- Mühle“ ersetzt. Er ist auf die Familie Güll zurückzuführen, die viele Jahrzehnte im Besitz des Mühlenanwesens war.
Der für unsere Betrachtung wichtige Ahnherr ist der zu Altenwied geborene, in Isselbach wohnhaft gewesene Jakob Güll, der 1705 die zerstörte Mühle zu Bruchhausen am Gelbach wieder aufbaute und betrieb. Sein Sohn und Nachfolger Anton Güll, Neumüller zu Bruchhausen, wurde 1720 –wegen Vollsaufens zu Holzappel – zu einer zweitägigen Arbeitsstrafe verurteilt. Dessen Urenkel Johann Philipp Güll, ein Bruder des Bruchhäuser Müllers Philipp Jakob Güll, begründete vermutlich um 1775 durch Heirat mit der Müllertochter Marie Henriette geb. Schaub die Müllerdynastie der Gülls in der Obermühle.
Die 1850 bei der Vermögensübergabe des Karl Ludwig Güll an seinen Sohn Friedrich Anton Güll erwähnten Gebäudeteile haben sich zum größten Teil bis heute an ihrem Standort erhalten. Damals war die Rede von einem zweistöckigen Wohnhaus mit Mahlmühle, einem weiteren Gebäude am Haus, zwei Ställen, einer Scheune und einem Schuppen. Außerdem gehörten zu dem Besitztum mehrere Äcker, Wiesen und Gärten, Stallvieh und ein Esel, dessen Wert entsprechend seiner Nutzung mit 20 Gulden angeschlagen war. Zwei Jahre zuvor hatte der erwähnte Sohn des Erblassers eine kurze Wegstrecke unterhalb der Obermühle eine Ölmühle erbaut.
Der letzte Müller der Obermühle, Wilhelm Eberhard, der die Gülltochter Lina geheiratet hatte, betrieb das Mahlgeschäft bis 1937. Anschließend nutzte er noch etwa zwölf Jahre die vorhandene Mühleneinrichtung zur Graupenherstellung.
Unter seinem Schwiegersohn, Willi Höfeld, vollzog sich eine Wandlung, die vielen Bewohnern der Umgegend noch erinnerlich sein wird. Er betrieb eine Gastwirtschaft im Mühlenhaus, schuf einen Spielpark für die Kinder der Gäste und ließ sogar den Verkehr auf der schmalen Zufahrtsstraße von Langenscheid ins Tal durch eine Ampelanlage regeln.
1975 wurde es wieder stiller rings um die Gülle Mühle. Das Ausflugslokal schloss seine Pforten für den Publikumsverkehr. Noch bis in die jüngere Vergangenheit erinnerten die für ein Gasthaus typischen Attribute an die gern besuchte Raststätte.
Heute bietet der Verein für Sozialwesen und Ökologie in der einstigen Mühle erholungssuchenden Kindern Schlaf- und Essplätze. Außerdem vermietet er seine Räumlichkeiten an Familien, Gesellschaften und Vereine.
Die Altendiezer Ölmühle
Nur wenige hundert Meter unterhalb der „Gülle Mühle“ befinden sich auf der linken Seite des Daubachs die Mauerreste eines Bruchsteingebäudes. Wie die topographische Karte ausweist, gehört der Platz, auf dem sich die Ruine befindet, zur Altendiezer Gemarkung, indem der Bach auf seiner ganzen Länge „Grenzfluss ist“. Über die vormalige Bestimmung des Hauses und seinen Namen sind weder aus Karten, weder von Einheimischen noch aus der gedruckten Altendiezer Ortsgeschichte Auskünfte zu erhalten. Zum Glück existiert noch eine Akte, die davon berichtet, dass Friedrich Anton Güll, Müller im elterlichen Betrieb der Obermühle, 1846 bei der Regierung die Erlaubnis zum Bau einer Ölmühle beantragte. Nach der Anlage zum Konzessionsgesuch musste zum oberschlächtigen Betrieb der Mühle ein 170 Meter langer Mühlgraben angelegt werden, um das Wasserrad von fünf Meter Durchmesser in Gang setzen zu können. Da niemand Einsprüche gegen das beabsichtigte Projekt erhob, erteilte die Regierung am 9. Dezember 1846 die Bau- und Betriebserlaubnis gegen Abführung von jährlich zwei Gulden für die Benutzung des Bachwassers. Über den Stand des Bauwesens zur Berichterstattung aufgefordert, meldete der Altendiezer Bürgermeister, die Mühle sei seit 1848 betriebsbereit, sie werde von einem Rad angetrieben und laufe etwa drei Monate innerhalb eines Jahres. Sehr treffend beschrieb er ihren Standort als in einem Waldtale gelegen, wo nur selten Menschen hinkommen.
Wie lange die Ölmühle für die Bauern der umliegenden Dörfer die Ölsaat quetschte und daraus das Öl auspresste, wurde nirgendwo aufgeschrieben. Vermutlich stand aber schon nach wenigen Jahrzehnten das Wasserrad still, denn 1873 war von ihr keine Rede mehr. Es ist noch anzumerken, dass trotz des bereits im 14. Jahrhundert gebräuchlichen Bachnamens Daubach in den Akten über die Ölmühle das Gewässerchen nicht Dau- sondern Langenscheider oder Hirschbacher (Hirschberger) Bach genannt wurde.
Die Mittelmühle
Von allen Mühlen am Daubach wechselte die unterhalb der Ölmühle auf der rechten Bachseite gelegene Mittelmühle am häufigsten ihren Namen. Nach ihrer Lage als unterste Mühle am Bach hieß sie vor 1848 Untermühle. Nachdem im selben Jahr die Neumühle weiter bachabwärts aufgekommen war, nannte man die alte Unter- nun Mittelmühle. Ihre landläufige Benennung als Bal(t)zers- oder Kaspers Mühle lässt sich auf Balthasar Kasper zurückführen, der im Jahre 1800 in die Mühle einheiratete.
Im Vergleich zu dem gut erhaltenen Komplex der Obermühle ist eine Zuordnung der spärlichen Gebäudereste der Mittelmühle um das heutige Wohnhaus nicht mehr nachvollziehbar.
Eine Mahl- und Ölmühle bestand schon an dieser Stelle, als Hartmann Butzbach 1716 von dem Landesherrn der Grafschaft Holzappel, dem 23jährigen Enkel der Melandertochter Elisabeth Charlotte, Victor Amadeus Adolph von Anhalt Bernburg- Schaumburg, die Erlaubnis erhielt, unterhalb seiner Mühle eine separate „Schlag- oder Ölmühle“ zu bauen. Die häufig zu beobachtende Tatsache, dass Müller(söhne) Müllertöchter heirateten, traf auch auf einige Müllerfamilien der Mittelmühle zu. Der erwähnte Hartmann Butzbach verehelichte sich um 1707 mit der Tochter Anna Christina des schaumburgischen Leibregimentsuntertanen Michael Bruchhäuser, der seit 1686 Erbbestandsmüller in Giershausen war. Knapp 100 Jahre später (1800) heiratete die Butzbachtochter Anna Marie den Müllersohn Philipp Balthasar Kasper aus der Heckelmannsmühle im Rupbachtal.
Nach einem Eintrag im Stockbuch (Grundbuch) von Langenscheid bestand das Anwesen 1843 aus einem einstöckigem Wohnhaus mit Mahlmühle, einem Anbau über dem Wasserhaus, (in dem sich das Mühlrad befand), einem Backhaus und einer in der Nähe befindlichen Ölmühle. Bei dieser Aufzählung vermisst man die sonst bei Mühlen üblichen landwirtschaftlichen Gebäude. Sie fanden erst Erwähnung, nachdem Johann Adam Nink von Eppenrod die Müllertochter Karoline Kasper geheiratet und die Mühle übernommen hatte.
Seine Berufsangabe „Müller und Landmann“ deutete ebenfalls die Hinwendung zur Landwirtschaft an. Mit seinem Tode 1896 endete das Mühlenwesen in der nach den Vorfahren seiner Frau Kaspers- oder Bal(t)zers- Mühle benannten Handwerksbetrieb. Fortan wurde das Anwesen bis zum heutigen Tag als Wohn- beziehungsweise Wochenendhaus benutzt. Nach farbenfroher Renovierung präsentiert sich allein noch ein Gebäude, das vom Zahn der Zeit verschont von den jeweiligen Besitzern erhalten wurde. Der bekannte nassauische Mundartdichter Rudolf Dietz (1863- 1943) fertigte nach seinen eigenen Angaben vor 1930 eine Zeichnung der Baltzermühle an. Trotz eifriger Nachforschung konnte diese Mühlenansicht leider nicht ausfindig gemacht werden.
Die Untermühle
Fast am Ausgang des Daubachtales, eine kurze Wegstrecke oberhalb der Eisenbahnlinie, kündet ein dem Verfall preisgegebenes hohes Gebäude von seiner einstigen Bestimmung als Mühle. Während die zeitweiligen Benennungen als Neumühle (bald nach der Errichtung) und Untermühle (als unterste aller Daubachmühlen) keiner weiteren Erklärung bedürfen, lässt die auch gebräuchliche Bezeichnung „Gesellschaftsmühle“ aufhorchen.
Welche Gesellschaft oder Firma gründete hier im stillen abseitigen Waldtale einen Betrieb?
Einheimische waren es , die sich 1846 entschlossen, das Mahlgeschäft selbst zu betreiben. Einerseits sahen sie sich dazu veranlasst, weil die ortsnahen Müller „ihrer Konsumption nicht entsprachen“ und andererseits ihr Ausweichen auf auswärtige Mühlen durch die „Prellerei“ deren Besitzer zu Ärgernissen Anlass gab. Mag sein, dass die Frauen mit der Qualität des von den beiden Daubachmüllern gelieferten Mehles nicht zufrieden waren oder die entfernteren Müller ungebührlich hohe Malter (Mahllohn in Form von Getreide)einbehielten. Jedenfalls taten sich 1846 Heinrich Anton Bornwasser und 17 Gleichgesinnte „Consorten“ genannt, zusammen und erbaten von der Regierung die Erlaubnis zur Anlage einer Mühle mit einem Mahl- und einem Rollgang, also zur Mehlherstellung und zum Getreideschälen. Kurz vor Jahresende traf der am 11. Dezember 1846 ausgestellte Genehmigungsbescheid bei ihnen ein.
Sobald es die Witterungsverhältnisse erlaubten, begannen sie den Bau aufzurichten und ließen die Einrichtung installieren, so dass sie ab März 1848 die Müllerei betreiben konnten. So wie die bachaufwärts gelegenen Mahlmühlen musste auch bei der von der Mühlengesellschaft erbauten neuen Mühle das nicht gerade reichlich zufließende Wasser in einem Mühlenteich gesammelt werden, um mit hinreichendem Wasservorrat bei Bedarf die Mühle in Gang halten zu können. Die Betriebszeit beschränkte sich allerdings nur auf vier Monate im Jahr. Eine Gesellschaftsmühle besaß die Eigentümlichkeit, dass auf ihr nur die Genossen, also nur die eingetragenen Mitbesitzer mahlen durften. Doch an einem so kostspieligen Unternehmen konnten sich nur bessergestellte Bauern beteiligen, und die bestimmten damals auch die Geschicke des Dorfes. Kein Wunder also, wenn als Gesellschafter der Bürgermeister und die meisten Gemeinderäte von Langenscheid die Mehrheit der Anteile an der Mühle besaßen.
Die Idee zu einer Mühlenbetreibung in eigener Regie wurde 1846 nicht im Dorf geboren, sondern eingeschleppt. Im engeren Umkreis von Montabaur bestanden bereits Anfang des vorigen Jahrhunderts sieben Mühlen dieser Art, und weitere fünf kamen in den 30er und 40er Jahren hinzu.
Weil nicht jeder Gesellschafter mit der Mühlentechnik sowie der Mehl- und Graupenherstellung vertraut war, engagierten die Mühlengesellschaften einen gelernten Mahlknecht. Er wohnte ständig in der Mühle, um die Eigentümer nach Erfordernis bedienen zu können. Die Geschäftsführung lag hingegen in den Händen des Bürgermeisters in seiner Funktion als Mühlenmeister, jedoch nur dann, wenn er selbst Mitgenosse war. Er sorgte bei einer gewöhnlich am ersten Januarsonntag abgehaltenen Teilnehmerversammlung für die Verteilung der jedem Gesellschafter entsprechend seiner Anteile zustehenden Mahltage. Außerdem oblag ihm die Kassenführung, die auch die Entlohnung des Mahlburschen einschloss. Die 18 Teilhaber verfügten über zusammen 31 Anteile, wobei neun von ihnen ein Anrecht auf zwei und einer sogar auf fünf Mahltage hatte.
Schon bald nach der Inbetriebnahme erkannten die Mühlengenossen, dass die Unkosten die Rentabilität und die Vorteile einer selbst genutzten Mühle nicht rechtfertigten. Die von der Diezer Rezeptur (untere Finanzbehörde) angenommene Betriebszeit von acht Monaten, nach der auch die Wasserpacht von 20 Gulden angesetzt worden war, überstieg den tatsächlichen zeitlichen Bedarf. Deshalb bemühte sich der Mühlenmeister um eine Minderung dieser Abgabe. Doch das Wiesbadener Finanzkollegium verwies auf das bessere Betriebswerk der Neumühle im Vergleich zu den oberhalb gelegenen Mühlen, die mit einer Auslastung von drei bis vier Monaten bezüglich des Wasserlaufzinses auch nicht weniger zu zahlen hätten.
Welche Gründe für die Gesellschaft schließlich dafür ausschlaggebend waren, bereits nach sieben Jahren die Mühle zu verkaufen, wurde nicht überliefert. 1855 brachte Jakob Pfeifer den Betrieb käuflich an sich und führte ihn als Privateigentumsmühle fort. Um sein Eigentum zu steigern, belieferte er auch Kunden in Altendiez. Dagegen beschwerten sich seine Diezer Müllerkollegen, die sich auf das Bannrecht beriefen, das einer Mühle einen genau festgelegten Kundenkreis zuwies. Pfeifer hatte geglaubt, dieser Mahlzwang sei längst gestorben. Doch nach seiner eigenen Aussage hatte das im sanften Winterschlaf versunkene Bannrecht sich wiederum aus dem Grabe erhoben. Eine amtliche Verfügung verwehrte dem Müller 1857 die Ausdehnung seiner handwerklichen Tätigkeit auf die benachbarte Gemeinde.
Drei Jahre später glaubte er einem anderen Zusatzeinkommen auf die Spur gekommen zu sein. An dem mit Unterbrechungen seit 1858 betriebenen Bau der Lahntaleisenbahn waren zeitweise mehrere hundert Männer beschäftigt. Besonders die schweißtreibende Arbeit an den beiden Tunnels beiderseits des Daubachs förderte den Getränkeabsatz in Langenscheid. An dem lohnenden Geschäft dachte auch Pfeifer sich zu beteiligen, indem er eine Konzession zum Betrieb einer Gastwirtschaft für die Dauer des Eisenbahnbaues beantragte. Nach einer ersten Ablehnung reichte er am 4. März 1860 eine Beschwerdeschrift ein. Darin hob er hervor, die Arbeiter müssten sich im etwa 30 Minuten entfernten Dorf Langenscheid mit Getränken versorgen. Falls ihm die Schankerlaubnis gewährt werde, verkürze sich der Weg auf wenige Schritte. Aus lokalem (oder persönlichem ?) Interesse verweigerte der Gemeinderat seine Zustimmung und provozierte damit die endgültige Ablehnung zur Errichtung einer Wirtsstube in der Neumühle. Zu einem Zusatzeinkommen kamen seine Nachfolger doch noch durch die von Karl Anton Kalkofen 1896 in einem Neubau eingerichteten Bäckerei.
Es wäre ermüdend, all die rasch wechselnden Käufer der hypothekenbelasteten Mühle aufzuführen. Der letzte Eigentümer, der das Mühlenhandwerk ausübte, war Wilhelm Aulmann von Bettendorf. Er machte vermutlich von der im dritten Reich angebotenen Möglichkeit der freiwilligen Mühlenstilllegung gegen eine Abfindung Gebrauch, indem er im Laufe des Jahres 1943 das Mühlengeschäft aufgab.
Hühnergegacker im Talgrund
Auch nach der Einstellung der Mahltätigkeit blieb das Mühlenhaus weiter bewohnt. 1955 erwarb der aus Siebenbürgen/Rumänien vertriebene Hugo Christmann das Anwesen und baute sich um die Mühle eine neue Existenz auf. Er wohnte noch bis 1974 mit seiner Familie in dem Gebäude, nutzte die vorhandene Wasserkraft zur Stromerzeugung für den eigenen Bedarf, widmete sich aber anstatt der Müllerei und Bäckerei dem Gemüseanbau und der Geflügelhaltung. Mittlerweile betreibt sein Sohn Klaus mir seiner Frau eine Geflügelfarm mit etwa 2000 Legehennen. In einer fahrbaren Verkaufsstelle versorgt er die Bewohner der Höhendörfer mit Eiern und vermarktet den größten Teil seiner Produkte aus Feldwirtschaft und Tierhaltung selbst. Regelmäßig ist er damit auf den Wochenmärkten in Limburg vertreten.
In den Sommermonaten kann man auf dem Gelände um die Untermühle mehrere Arten von Feder-, Borsten- und Haartieren antreffen, die dem ansonsten stillen Tal den Hauch einer Zoolandschaft verleihen.
Während die Erinnerung an die vier Daubachmühlen durch Gebäude und Baureste durch Erzählungen bis in die Gegenwart reicht, vermag von den bereits im 14. und 15. Jahrhundert erwähnten Weinbergen in der Dupach, die bis zur Lahn reichten, bestenfalls noch ein geschultes Späherauge Überbleibsel an den Berghängen zu entdecken oder zu vermuten.
Ein schwieriger Übergang
Es war nach der furchtbaren Schlacht bei Manresa im Jahre 1813. Die Franzosen waren geschlagen, die deutsche Division hatte den Rückzug gedeckt und die Armee gerettet. Es kam der schwierige Übergang über den Montserat.
Die Bataillone hatten einen Engpass zu übersteigen, über den einer nach dem anderen – auf allen Vieren kletternd – in weiten Abständen sich mühte, empor und wieder abwärts zu kommen.
Ganz nahe standen, an unzugänglicher Stelle wohlversteckt, zwei Spanier mit Gewehren. Der eine schoss, während der Zweite lud.
Die Verzögerung des Ladens machte es jedem zweiten Nassauer möglich, heil durchzukommen, während Vorder- und Hintermann erbarmungslos niedergeschossen wurden und in die Tiefe stürzten.
Aus der Russenzeit
Nach mündlicher Überlieferung soll das unausrottbare Unkraut auf der Seelseite von Russen eingeführt worden sein, die dort ihre Pferde mit Futter aus irgendeinem fremden Land fütterten.
Im Dezember 1813 freuten sich die Russen, die in Langenscheid einquartiert waren, wenn es tüchtig schneite.
Dann gab es für die Dorfbewohner ein lustiges Schauspiel. Auf dem Bienengarten zogen sie sich nackend aus und wälzten ihre schmutzigen Leiber im Schnee.
Ein Schneider schießt
Die Schlacht bei Leipzig war geschlagen. Das französische Heer wälzte sich dem Rhein zu. Ein Korps – französische Heeresabteilung – zog die Lahn entlang und beglückte die Dörfer mit übelgelaunter Einquartierung.
Auch Langenscheid war reichlich bedacht. Die Franzosen behandelten die Nassauer nicht mehr als Freunde, und es kam zu allerlei kleinen Feindseligkeiten, und infolgedessen waren die Bewohner des Dorfes ebenso gereizt wie die Franzosen.
Kommt da ein einzelner Infanterist als Patrouille die Weihergasse herunter. In seinem Schneiderstübchen springt schnell der Jünger der zünftigen Nadelkunst vom Schneidertisch, hängt die alte Jagdflinte von der Wand, kriecht in der Scheuer ans Eulenloch und jagt dem armen Franzosen eine Ladung Schrot in die Stiefel.
Kaum knallt der Schuss, da treten von allen Seiten die Soldaten auf die Straßen. Der Ortskommandant, der in der Wirtschaft an der Klampengasse wohnt, lässt die große Trommel rühren, und im Laufschritt begeben sich zwanzig wohlbewaffnete Soldaten nach dem Haus des Schießers. Alles wird durchsucht, und nach einer halben Stunde finden sie im Stroh versteckt den Attentäter.
Im großen Zuge führt man ihn gebunden zum Kommandanten. Nach kurzem Verhör sperrt man ihn in die Scheune, und ein Doppelposten hält vor dem Tor Wache.
Bürgermeister und Pfarrer flehen um Gnade. Doch das Urteil lautet: „Erschießen“. Eine Gruppe steht schon am Wieslatter Weg. Nun soll der Ärmste hinausgeführt werden. Das ganze Dorf steht bereit, und kein Auge ist tränenleer. Das Tor wird geöffnet; aber – was da – der Laden ist offen, und das witzige Schneiderlein ist ausgeflogen.
Aller Augen werden trocken, und jeder geht befriedigt nach Hause.
Schon sieben Brote
Die Franzosen zogen ab, und bald erschien das Heer Blüchers. In den Dörfern unserer Heimat fanden Russen Quartier. Ein ganzes Regiment kam auf kleinen Pferdchen angeritten.
In einem großen Bauernhaus an der oberen Weihergasse in Langenscheid suchten zehn langhaarige, bärtige Gesellen Unterkunft. Die Pferde standen in der Scheuer, und die unheimlichen Gestalten machten sich in der Stube breit. Zwei durchsuchten das ganze Haus und brachten alles was essbar war zum Vorschein. Im Rauchfang fanden sie den letzten Schinken.
Ein ganzer Berg lag auf dem Tisch, und die Fremdlinge ruhten nicht, bis alles aufgezehrt war. Die arme Hausfrau saß weinend in der Küche. Da erschien der Größte mit der Knute ( russische Lederpeitsche ) und verlangte nach Brot, das war das einzige deutsche Wort, was er konnte. Die arme Frau bedeutete, dass sie keins mehr habe. Da fuchtelte der Unheimliche mit der Knute durch die Luft, deutete auf seinen Leib und jagte die Frau zum Holen aus dem Haus.
Eins fand sie im Nachbarhaus. Kaum hatte sie es gebracht, erschien er zum zweiten Male, und wieder wurde sie hinausgejagt. Sie bettelte in zehn Häusern und doch ohne Erfolg. Da lief sie hinab in die Mühle und erhielt das siebente Brot. Auch das war bald aufgegessen. Zum dritten Male erschien der Gierige. Doch als die Frau nicht gehen wollte, ließ er im Hof die Knute auf die Ärmste niedersausen, so dass sie laut schrie.
Da kam gerade ein Offizier die Straße herab, jagt in den Hof und fragt nach dem Geschehen. Weinend berichtet die Frau und sagte, dass die Unersättlichen schon sieben Brote verzehrt hätten, und dass sie keins mehr auftreiben könnte.
Sofort wurden die Missetäter auf den alten Garten geführt und selbst geknutet, wobei die Dorfbewohner zusehen mussten.
Brunnen – Wasserversorgung in Langenscheid
Süßborn (im Borngraben links vom Geilnauer Weg)
Zuhborn (in der Nähe der heutigen Kläranlage)
Scheidborn (im Scheid)
Kreuzborn (vor der Unner, unterhalb Hirschberg)
Bachbergborn (oberhalb der Gülle- Mühle)
Diese Brunnen versorgten die Einwohner Langenscheids vor 1840 mit Wasser. Das kostbare Nass musste mit Eimern, die an einem Schulterjoch hingen, in das Dorf getragen werden. Später speiste der Kreuzborn die Langenscheider mit Wasser, das durch eine Holzwasserleitung und natürliches Gefälle sein Ziel erreichte. Mehrere Leitungsstücke sind bei Ausgrabungen gut erhalten gefunden worden und können im Heimatmuseum Holzappel besichtigt werden. Einige Exemplare werden bei den Verbandsgemeindewerken Diez verwahrt.
Erst 1909 erhält unser Dorf eine neue Wasserleitung mit Hausanschlüssen. Eine große Erleichterung für die Menschen, musste doch vorher das Wasser aus den außerhalb des Ortes gelegenen Brunnen und später aus mehreren Dorfbrunnen herbeigeschafft werden.
1989 wird eine neue Wasserleitung nach Langenscheid verlegt. Jetzt kommt das Wasser aus der Anlage Blickerstein bei Hirschberg und versorgt die Gemeinden Hirschberg, Eppenrod und Langenscheid mit dem kostbaren Lebensmittel.
Wassermangel früherer Jahre ist Vergangenheit. Eine Ringleitung verbindet die Dörfer innerhalb der Verbandsgemeinde Diez und sorgt für den Ausgleich bei Bedarf.
Der Zehntenaufruhr in Langenscheid
Die Leibeigenschaft war im Schaumburger Land wie im übrigen Nassau schon vor 1800 abgeschafft worden. Der Zehnte blieb, wurde sogar nach 1817 an manchen Orten wieder eingeführt, weil an den Höfen das Geld für die Ablösung fehlte.
Er konnte nach dem Gesetz abgelöst werden, doch war das selten zu erreichen, weil beiderseitige Einwilligung nötig war. Die Nassauische Landesbank wurde 1840 zu dem Zwecke gegründet, die Ablösesumme vorzuschießen.
Die Langenscheider Bauern waren mit der Zehntenablieferung schon lange unzufrieden. 1842 hatte ein kluger Berater, der aus dem Nachbardorf stammte, in Wiesbaden bedienstet war und von den Maßnahmen der Regierung wusste, den Langenscheider Bauern gesagt, sie seien zur Abgabe nicht mehr verpflichtet; das ganze Dorf müsste sich wehren.
Die Ernte kam, und manche fuhren trotz des Verbotes des Hofmarschalls zu Schaumburg alle Garben ein. Der Zehntknecht wurde wild und verlangte Hilfe vom Schlosse. Der Hofmarschall Marschand kam, und nun sollte mit der Auslese der Garben auf dem Niederfeldchen begonnen werden.
Dort hatten sich alle Bauern versammelt, und unter den Hausten lagen Stöcke, Mistgabeln und Sensen bereit. Als der Zehntknecht die erste Garbe aufladen wollte, rückten alle zur Wehr heran, dass er samt dem Hofmarschall ausrücken musste.
Die Polizei wurde aufgeboten, die auch drei Bauern verhaftete. Die fürstliche Verwaltung zu Schaumburg ließ diesmal Gnade vor Recht ergehen und gab die Verhafteten frei. Dieser Vorgang war der letzte Anstoß zur Ablösung. Für 30.000 Gulden kauft die Gemeinde 1844 die Ablösung des Zehnten.
Langenscheider Ludwig Born im preußischen Landtag
Ein kleines Kreuz, in der Friedhofsmauer eingelassen, sagt nicht viel über die Persönlichkeit des Mannes aus, der schon zu Bismarcks Zeiten modernen Sozialismus in Rede und Handlung ausdrückte.
Ludwig Born, geb. 26. Januar 1813, gest. 15. April 1875, Mitglied des Abgeordnetenhauses von 1848 bis zum Ende seiner Tage.
Pfarrer Steubing aus Wiesbaden – er ist übrigens der Urenkel des Pfarrers, der zu Borns Zeiten in Langenscheid die Pfarrei leitete – stellte umfangreiche Nachforschungen in den alten Niederschriften der Debatten an. Die Dokumente seien so vielseitig, sagte Pfarrer Steubing, dass es fast unmöglich gewesen sei, die Einzelheiten präzise zu untersuchen.
Das Europa zu Ludwig Borns Zeit war gezeichnet von den Nachwehen der französischen Revolution, in England breitete sich der Liberalismus des Handels und in Deutschland der Idealismus des Geistes aus. Die geistige Elite versuchte, auf friedliche Weise die Gegensätze aus dem Absolutismus der Fürstenhäuser auszugleichen.
Erstmals trat die soziale Frage in den Vordergrund. 1844 standen die Weber in Schlesien auf, 1846 endete durch Selbstmord ein großer liberaler Denker, Friedrich List, der seine Überlegungen auf eine Handelseinigkeit der europäischen Nationen ausrichtete. 1848 veröffentlicht Karl Marx sein kommunistisches Manifest und das Volk revolutionierte gegen den Absolutismus. Die Fürsten gaben nach.
Die Frankfurter Nationalversammlung wurde einberufen. Der Protestant Ludwig Born wurde von den katholischen Montabäurern in die Versammlung gewählt.
Born hatte nur Volksschulbildung. Seinen Wissensdurst stillte er mit Büchern, die er bei Pfarrer und Lehrer auslieh. Besonders die Schriften Friedrich Lists machten einen großen Eindruck auf den Landwirt aus Langenscheid. Er sah das Unrecht, mit dem die kleinen Leute in den Gemeinden drangsaliert wurden, und er verschloss die Augen nicht vor der sozialen und geistigen Not der Menschen auf dem Lande. Durch dieses Wissen wurde er zum Bindeglied zwischen der selbstbewussten und überheblichen Regierung und dem ohnmächtigen Volk.
Nicht nur seine große stattliche Erscheinung ließ die aufrechte Persönlichkeit Ludwig Borns erkennen. Seine Reden im Parlament zeichneten sich durch Sachlichkeit aus. Seine Kontrahenten in den Debatten fanden in ihm einen gut vorbereiteten Diskutanten, der sich nicht ohne Beifall nach seiner Rede zu setzen brauchte.
Zu Beginn seiner Abgeordnetenzeit im Nassauischen Parlament beschäftgte er sich hauptsächlich mit den Bittschriften, die aus allen Teilen Nassaus an seine Adresse gerichtet waren. So geht auf sein Konto der Eisenbahnbau in unserem Gebiet. Er kümmerte sich um den Verlauf der Bahnlinien an Rhein und Lahn, und setzte durch, dass Limburg ein Bahnknotenpunkt wurde.
Als die Macht der Fürsten 1851 wieder Fuß gefasst hatte und den Nassauern der Absolutismus aufgedrängt wurde, machte Ludwig Born sich für die Selbstbestimmung stark: „Wir wollen freie Selbstbestimmung der Gemeinden“, sagte er aufgebracht vor dem Parlament und fügte mit Nachdruck an, dass der Bürgermeister frei von den Gemeindebürgern gewählt werden müsse. Damit erreichte er ein Sondergesetz über die nassauische Selbstverwaltung, die heute wieder in der Diskussion ist.
Als im Jahre 1866 Krieg gegen die Österreicher geführt wurde, sollte die nassauische Kammer über die Kriegsanleihe bei Rothschild in Höhe von 673 Gulden entscheiden. Er wandte sich in aller Schärfe gegen diesen Bruderkrieg und setzte durch, dass Nassau keinen Heller pumpte, auch nicht, als Preußen zu Zwangsmitteln griff. Die Kammer wurde 1867 vom preußischen Abgeordnetenhaus einverleibt. Dort trat Born zwar nicht mehr so in den Vordergrund, doch war er stark in den Kommissionen tätig.
In einer seinen Reden forderte er für das Volk Rechte, die uns heute, zumindest seit Bestehen des Grundgesetzes, geläufig sind. Das Recht auf freie Meinungsäußerung war ihm Grundforderung. In Sachen Pressefreiheit wurde er zum kämpferischen Redner. Das Parlament sei noch keine Volksvertretung, erklärte er, und forderte freie Wahlen, so dass auch einfache Leute eine Stimme in einer Volksvertretung haben sollten.
Die Rechtspflege müsse durch unabhängige Richter gewährleistet sein und die Adligen dürften nicht auf fremdem Besitz ihre Jagd ausüben, waren seine weiteren Forderungen, mit denen er hier und da in den Ruf des Demagogen kam, doch das war er nicht.
Den Forstbeamten kreidete er an, sie kümmerten sich nicht um den Wald, sondern um die Jagd. Dann warf er der Regierung vor, die „Amts- und Regierungspersonen haben keine Ahnung, was in den Dörfern geschieht. Am besten wissen das die Pfarrer.“ Die würden aber, ließe man sie gewähren, zu „geistlichen Oberbürgermeistern, weil sie für die Posten ihre Leute auswählten“.
Er stemmte sich dagegen, dass auf die Abgeordneten ein politischer Zwang ausgeübt werde. Auch gegen die Strafversetzung von Lehrern wegen der Abgeordnetenwahlen äußerte er sich: „Und wenn Beamte von ihren Untergebenen verlangen, wie sie wählen sollen, so ist das Missbrauch der Amtsgewalt!“
Was die Schulbildung anbelangte, so trat Born für Fachlehrer ein. Er sprach sich dagegen aus, dass alte Beamte und ausgediente Soldaten den Lehrdienst versehen. Als die Regierung Prämien an die Landwirtschaft für fettes Vieh ausgeben wollte, sagte er: „Ich bin dagen. Die Regierung sollte lieber das Geld für die Weiterbildung der Landjugend verwenden. Dadurch fördert man die Landwirtschaft eher als durch das Theater mit fetten Ochsen.“
Er führte eine scharfe Zunge, und er wurde gehört. Leider wurde diese Persönlichkeit zu der Zeit verkannt, als ihr Geistesgut beispielhaft für das Volk gewesen wäre, um in demokratischen und sozialen Kategorien zu denken. Born geriet in Vergessenheit. Heute wird er glücklicherweise als Pionier eines modernen Sozialismus wiedererkannt.
Der Lahnbahnbau
Es war zur Zeit des Lahnbahnbaues in den Jahren 1858 – 1862. Die Langenscheider beherbergten auch viele Fremde, die bei dem Tunnelbau beschäftigt waren, Techniker, Schachtmeister und Arbeiter. Auch viele Dorfbewohner nutzten die Gelegenheit, Geld zu verdienen.
Viele der fremden Arbeiter waren schon in aller Herren Länder gewesen und mit allen Hunden gehetzt. Einer davon zeigte auch den Langenscheidern, wie man auch ohne Arbeit zu Geld kommen kann; das wurde schnell gelernt.
In dem dunklen Tunnel rang der Größte und Stärkste von ihnen gern mit dem Schachtmeister, der die Schichtzettel in der Tasche trug. Er wusste es zu erreichen, dass der Ahnungslose auf den Kopf gestellt wurde, so dass ihm die wertvollen Zettel aus der Tasche fielen. Ohne dass er es merkte, wurden die Schichtzettel geändert.
Schultheiße und Bürgermeister von Langenscheid
Künzler, Philipp | * 30.03.1736 + 26.03.1800 | o.D. – o.D. |
Born, Ludwig | * o.D.+ o.D. | o.D. – 1796 |
Born, Johann Ludwig | * 23.01.1774 + 15.03.1829 | 1796 – 1822 |
Scheurer, Friedr. Anton | * 03.05.1789 + 29.12.1848 | 1822 – 1848 |
Krämer, Johann Anton | * 04.11.1815 + 22.10.1879 | 1848 – 1855 |
Schaub, Friedrich Anton | * 21.06.1818 + 15.11.1865 | 1855 – 1865 |
Künzler, Friedr. Wilh. | * 25.06.1815 + 05.03.1880 | 1865 – 1880 |
Meyer, Philipp Christian | * 12.10.1828 + 24.05.1888 | 1880 – 1888 |
Schaub, Anton | * 09.06.1852 + 28.03.1922 | 1888 – 1918 |
Künzler, Karl Ant. Wilh. | * 13.06.1861 + 07.08.1935 | 1918 – 1924 |
Meyer, Ludw. August | * 31.10.1886 + 20.04.1961 | 1924 – 1945 |
Künzler, August Wilh. | * 20.07.1894 + 15.05.1971 | 1945 – 1964 |
Schupp, Adolf | * 31.10.1919 + 15.10.2008 | 1964 – 1969 |
Heckelmann, Walter | * 27.10.1924 + 30.03.2015 | 1969 – 1984 |
Trapp, Wilhelm | * 19.10.1934 + 11.02.2007 | 1984 – 1994 |
Krüger, Holger | * 31.07.1961 | 1994 – 2004 |
Strutt, Ulrich | * 27.01.1964 | seit 2004 |
Langenscheider Lehrer
Schneider | 1774 – 1804 |
Priester | 1804 – 1834 |
Ebertshäuser | 1834 |
Priester | 1834 – 1853 |
Roth | 1853 – 1864 |
Huth | 1864 – 1893 |
Veidt | 1893 – 1906 |
Naß | 1906 – 1925 |
Minor | 1925 – 1935 |
Metzler | 1935 – 1939 |
Philippar | 1939 – 1941 |
Metzler | 1941 – 1942 |
Diel | 1942 – 1944 |
Opel | 1945 – 1948 |
Böhmer | 1948 – 1949 |
Ferger | 1949 – 1965 |
Stickelmann | 1949 – 1954 |
Schrupp | 1960 – 1969 |
Weigel | o.D. – 1969 |
Feigel | 1968 – 1969 |
Ous Langschidder Platt
(von Inge Meckel)
Word senn doch hau die Kenn so oarm, die honn ihr Muttersproch verlorn.
Doun so halb Huchdäitsch met Fremdwerter versetze,
owwer Langschidder Platt, dät kunne se net schwetze.
Verfallene Häjser un so manches Alte es bestrebt mer zou erhalte.
Nur dej Sproch, dej ous beschert, dej scheint net erhaltenswert.
Ich honn mo bißje nogedoocht, un so poor alte Oausdreck off det Babier gebroocht.
Dremm gebt en Aachebleck mol Rouh, un wer well, der horch mool zou.
Bei ous soat mer frejer loustern iwwer horche, klaane Bouwe, dät worn Torche.
Aach Gedoffelkrout doat mer so nenne, em Oowe doat det Fouwer brenne.
Gerad und schief wor strack un schepp, un Keertrapp hieß die Kellertrepp.
Em Floaß do stann en Poul un Brabbes, un en Dollbatsch woar en Dappes.
Ouh der Wand do hongk die Auer, hat aach jeder noch en Schauer.
En der Schauer woar det Oules, hat mer Locke,woar mer en Krolles.
Flippche hat mer en der Ank un en der Stubb en Lehnebank.
Iwwer en Dorchgang- lang un schmoal- soat mer aafach: et es en Oal.
Wenn word nix notze, doats nix batte. Junggeselle, dät worn Patte.
Un die Dante woor en Goo, word net scheeh wor, dät wor schrooh,
mer wor aach eebsch un winsch un zweersch, die Schwejerdochter nannt mer en Schnerch.
De Schwejersohn, det woar en Aare, word hau Sinti un Roma, dät worn Haare.
En Bauer de broucht en seim Stall en Koorscht un en Kraaft off jeden Fall.
Et goab Gretzefourer mit Gesieh un em Wender noach scheene Schnie.
Et goab Katriencher, Miencher und Koarliencher, Simmedeiner- Ebbel un Kabberdiencher.
Em Hobb doat mer die Hinkel schaaße, die Läj harre aach noch Gaaße.
Ehrnwee fuhrn met vill Gerabbel, die Kou hat em de Hals en Schabbel,
honk met ner Keerem ouh dä Däjsel, wor aah nerrisch, wors äh Schäjsel.
Jo die Kej, dej mußte zeje, henne schallts: Det Laad solls kreje.
Hüh, haah, hott un hufzereck, ouh der Gaasel wor en Schmick.
Woor langsam aach so Kejgespann, mer koam owwer en dej Aah,
fir dej Inner un en dej Hetter-Deller- Gewann.
Flüssigkeit ging nur nach Schoppe, eh Kochdeppe, dät woor en Krobbe,
en klaane Krobbe woor eh Krebbche, de Kaffi kohm en det Kaffikebbche.
En Kaffikrouhl broucht mer fir en det Feld, un dej Hunn honn gegoutzt un net gebellt.
Word Schlemmes, det woor fraasterlich,
em Bett hat mer en Kouwezich, un aach noch en Sack met Streeh,
do goabs kaa Toilette, em Hobb woar de Aabee.
Un vonwegen met Blejmchesbabäjer sich boutze, do honk dej Zaaring, dej doat mer benotze.
Drous kunnt mer sich en dene stelle Gefilde, gläjch newebäj noach geistisch bilde.
Beim Oabraummache hott alles sich enngefonne, do hott mer Schenzjer un Welle gebonne.
De Ababbe schlief en der Kommer, un bei det Fejsteck goabs en Gommer.
Beim Ouwerrer goabs Kissele, en läjchte Reeh woar fissele.
No word gräjfe, dät wor grabbche, die Dier doat off em Burrem schrabbche.
Woar aaner net soo recht noh Muster, soat mer: de es net ganz fusber.
Manchmol woor aach aaner schichtich, gungs geh Omend, da wors disbich.
Moach aaner vill Emmstand em klaane Sache, hieß et: word dout de en Ouwing mache.
Hatt mer Koummer un sei Last, soat mer: word honn äjch en Brass.
Hielt mer eh Schläfche, doat mer lonse, iwwer küsse soat mer monze.
Kichern, dät wor gickele, off aam Baa hoppse: hickele.
Iwwer en Hooke soat mer Krabbe, un Pantoffel, dät worn Schlabbe.
Schleeh, dät worn Mackes oder Schmorres, un en Schnorrboort wor en Schnorres.
So geebs vill noch ze berichte, doch weil hiern äjch off met dichte.
Et es aach mol genoungk für häjt. Denkt mol noh ihr lejwe Läjt, mir lewe en Langschidd,
un net en dä Stoadt, dremm douts rouwich schwetze, ous Langschidder Platt.
Brockselsupp
(von Barbara Schweisfurth)
Eine Schnapsidee mit Lebkuchen
Hüte Dich, Fremder, und lasse Vorsicht walten, wenn Du von einem hiesigen Bewohner zur Teilnahme an einem Brockselsupp-Essen gebeten wirst. Wiewohl zur Suppe geladen, solltest Du vorher bereits gegessen haben, und zwar reichlich und gut. Nicht, dass die Langenscheider schlechte Suppenköche wären. Eher hängt es mit dem Charakter dieser speziellen Suppe zusammen, besser noch – mit dem Geist, der ihr innewohnt.
Klar heraus: Die Brockselsupp ist ein Gemenge aus viel Kornbrand, Zucker, Lebkuchenstückchen (Brocksel) und Wasser. Gegessen wird sie in der Zeit ab Silvester bis der Frühling sich ankündigt. Je länger der Winter andauert, desto länger dauert die Brockselsupp-Saison.
Gut Ding will Weile haben
Die Speise ist nichts für den spontanen Zecher, längere Planung ist unumgänglich.
Zunächst will der Lebkuchen beschafft sein. Keinesfalls eignet sich für eine echte Brockselsupp irgendein weihnachtlicher Pfefferkuchen. Der Lebkuchen wird extra für die Suppe schon Monate vor der Saison hergestellt, gebacken nach einem ganz speziellen Rezept. Deshalb heißt er Spezial-Lebkuchen. Immerhin muss er später einiges aushalten und darf dabei nicht an Haltung verlieren.
Bei Bäckermeister Lieber in der Aargemeinde Niederneisen kann man ihn bekommen. Der Meister hütet das Rezept wie seinen Augapfel. Es stammt aus Süddeutschland, soviel hat er preisgegeben.
Der Schnaps, ein Weizenkorn, sollte – ich nenne es mal – „gehaltvoll“ sein. Hiesige Verkoster der Suppe bevorzugen den Dauborner oder Hirschberger Branntwein, das sind Destillate von regionalen Brennern.
Dann werden Klarer, Zucker, Wasser und zerkleinerter Lebkuchen angesetzt und es gilt, noch ein wenig zu warten. Genau geht es so vonstatten:
Brockselsuppe für 6 (!) Personen
Zutaten
2 l (!) Weizenschnaps
2 Platten Spezial-Lebkuchen
500 g brauner Zucker
1 Liter Wasser
Zubereitung
Der Zucker wird in 1 l Wasser aufgekocht, das Zuckerwasser ruht sodann, bis es auf Zimmertemperatur abgekühlt ist.
Der Lebkuchen wird in 5 mm große Würfel geschnitten. Das erreicht man am besten, indem man die Platten auf der Brotmaschine in Streifen schneidet und die Streifen mit dem Messer zerteilt. Hierbei muss sich die Qualität des Lebkuchens zum ersten Mal beweisen: er darf nicht krümeln. Die Brocksel werden in eine ausreichend große Schüssel oder in ein Bowlegefäß gefüllt.
Danach werden der Schnaps und das Zuckerwasser hinzugegeben, das Ganze wird liebevoll und sacht umgerührt und über Nacht zum Durchziehen kaltgestellt.
Der Tag des Verzehrs ist gekommen
Bevor man sich zusammensetzt, sollte man – wie bereits erwähnt – eine reichliche Mahlzeit zu sich genommen haben, denn was jetzt folgt, bedarf einer kräftigen Unterlage.
Das Süppchen ist aufs Prächtigste durchgezogen und die würfelige Einlage hat die Form gewahrt, so muss es sein. Jeder Teilnehmer erhält einen Löffel, eine Schale und eine ordentliche Portion Brockselsupp aus der Suppenkelle. Einer gibt das Kommando zum „Scheppe“, indem er mit dem Löffel gegen seine Schale klopft. Der Löffel wird beherzt zu Munde geführt, sechs Male direkt hintereinander, dann gönnt sich die Runde eine kleine Pause. Es steht Bier bereit zum Nachspülen. Dann ertönt das nächste Signal, die Herren (es soll sich – wie man hört – in der Regel um eine reine Herrenrunde handeln) greifen erneut zum Essbesteck, und löffeln sechs Portionen hintereinander hinunter in die durstige Kehle. Hoho, das war heftig, gleich noch einen großen Schluck Bier hintendrein! So geht das fort, bis große und kleine Schüsseln geleert und die Herren derangiert sind.
Wer hat die Suppe erstmals eingebrockt?
Über die Entstehung des Brauches gibt es unterschiedliche Angaben. Ein süddeutscher Handwerksgeselle auf der Walz soll Lebkuchen und Rezept ins Nassauer Land gebracht haben.
Eine andere Lesart ist, dass Dehrner Bergleute nach Feierabend im Gasthaus Kornschnaps getrunken und dazu Lebkuchen aus der Bäckerei gegessen haben. Einer hat den Lebkuchen in den Schnaps getunkt, damit war die Brockselsupp erfunden.
Es gibt die Suppe in anderen Gegenden Deutschlands unter anderem Namen Lebkuchensuppe, Branntweinsuppe, Honigkuchenkaltschale. Die Urheberschaft ist nicht geklärt.
Die Zukunft der Brockselsupp
Die Aussichten für den Fortbestand des Brockselsupp-Löffelns sind – dem Vernehmen nach – schlecht. Ich habe mich in einschlägigen Kreisen erkundigt, wo gleich abgewinkt wurde: die Jungen kennten das Wort Brocksel nicht mal, geschweige denn, sie hätten je davon genossen. Früher habe man Brocksel in den Kneipen serviert, und auch in den Privathäusern sei man oft zusammengekommen zum Brocksel. Aus einer Schüssel habe man gegessen mit nur einem Löffel! Später habe zwar jeder einen eigenen Löffel gehabt, aber es wurde immer noch mit allen aus einer Schüssel gegessen. Ach ja, das sei lange her.
Kopfschütteln. Seufzen. Schulterzucken.